Ursprünglich auf Spanisch veröffentlicht. Jorge Galindo. El País.
Das Gleichgewicht kann nur gegeben sein, wenn der Staat neutral bleibt und nicht in Frage gestellt wird
Wir haben uns daran gewöhnt, dass der politische Kampf lediglich dialektischer Natur ist. Das ist in Wahrheit eine großartige Nachricht. Das bedeutet, dass eine der Grundprämissen einer stabilen Demokratie zumindest bis dato erfüllt ist: Das Einsetzen von Gewalt bleibt ausserhalb der Debatte, weil diese immer auf der Seite des Staates ist und dieser ist von seiner Natur aus neutral und allumfassend, sowohl in territorialer als auch in ideologischer Hinsicht.
Aber was passiert, wenn einer diesen Grundsatz verlässt und das Gewaltmonopol herausfordert? Dann ist der Staat nicht mehr neutral (es liegt nicht in seiner Logik neutral zu bleiben, wenn er bedroht wird). DieGewalt zieht wieder ins Spiel. Hier findet jedoch eine Verdrehung der Tatsachen statt, nämlich zwischen der Realität und den Vorstellungen der Teilnehmer an der Realität. Die Mehrheit erwartet nach wie vor, dass sich Politik innerhalb der Grenzen der Dialektik bewegt. Der Schatten der Gewalt wird von vielen als unbequem und von anderen als eine Chance empfunden.
Die Chance besteht für diejenigen, die nicht bereit sind sich innerhalb der dialektischen Grenze zu bewegen, die mehrheitliche Ablehnung der Rückkehr der Gewalt auf die politische Arena auszukosten. Sie tun dies, indem sie den Diskurs führen, dass Konflikte in einem demokratischen Staat nur mit mehr Demokratie und nicht mit Zwang gelöst werden.
Das ist aber die falsche Entscheidung. Das echte Dilemma ist, dass ohne die stille Androhung der Gewalt es keine echte Demokratie geben kann, wobei Demokratie diese Gewalt eindämmen muss, damit diese nicht ausartet. Wieso sind wir eher bereit in einer zwangslosen Demokratie als in einem undemokratischen Zwang zu leben, wenn die eine nicht ohne das andere richtig funktionieren kann? Schließlich kann im ersten Fall eine organisierte und entschiedene Gruppe die Gewalt frei verwenden. Dasselbe passiert auch im zweiten Fall.
Dieses schwer zu erreichende Gleichgewicht ist nur gegeben, wenn der Staat neutral bleibt und nicht in Frage gestellt wird. Bis dato konnten wir dieses Dilemma ignorieren, gerade weil wir uns innerhalb dieses Gleichgewichtes befanden. Jetzt ist aber der Staat in Frage gestellt worden und wir streiten am Rande des Abgrunds. Wir laufen Gefahr zu stürzen.