Ursprünglich auf Spanisch veröffentlicht. Miguel Aguilar. Letras Libres.
Die „Katalonische Frage“ ist eine Kombination zweier Probleme, die gerne verwechselt werden. Eines der Probleme besteht seit langem und hat damit zu tun, wie Katalonien zum Rest von Spanien passt und was das territorial bedeutet. Das zweite ist das illegale Abenteuer, auf das sich die katalonische Regierung eingelassen hat.
Trotz der furchtbaren islamistischen Attentate vom vergangenen 17. August in Barcelona und Cambrills sieht es nicht so aus, als dass die katalanische Regierung ihre kurzfristigen Pläne ändern würde. Ihre einzige politische Priorität ist und bleibt die Unabhängigkeit so als ob nichts passiert sei, was es empfehlenswert machen würde, die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen zu stärken statt davon abzulenken. Das sind die Tatsachen, und es ist Zeit daran zu erinnern, wo wir sind und wohin wir uns bewegen. Komplizierte Probleme lassen unter Umständen einfache Lösungen zu: Manchmal ist es nicht nötig, einen komplizierten Knoten zu entwirren. Ein gezielter Schlag mit dem Schwert reicht dann. Abgesehen davon und im Bewusstsein, dass wir keinen Alexander den Großen unter uns haben, hat das katalanische Problem, wie es sich zurzeit präsentiert, keine einfache Lösung.
Die „Katalonische Frage“ ist aktuell eine Kombination zweier Probleme, die gerne verwechselt werden. Eines der Probleme besteht seit langem und hat damit zu tun wie Katalonien zum Rest von Spanien passt und was das territorial bedeutet. Das Problem ist lösbar, aber es braucht Zeit, einen kühlen Kopf und interterritoriale Zusammenarbeit und Intelligenz. Es ist ein politisches Problem, das möglicherweise eine Verfassungsreform braucht und ohne Zweifel eine Abstimmung über das Ergebnis (sei es mittels eines Referendums oder gerichtlich) nach sich ziehen muss. Es wäre schwierig, das Problem in bilateralen Verhandlungen anzugehen, aber wenn Katalonien seine Karten gut spielen würde, könnte es auf wichtige Alliierte zählen: auf Madrid, Valencia und die Balearen, was die Finanzierung anbelangt, und auf historischen Volksgruppen, was Symbole und Sprache betrifft. Es ist ein katalanisches Problem, aber vor allem ist es ein spanisches Problem und es steht bereits klar auf der politischen Agenda.
Das zweite Problem ist das illegale Abenteuer, auf das sich die katalanische Regierung eingelassen hat (die, erinnern wir uns, die Vertretung des Staates in Katalonien ist). Es ist ein dringendes Problem, das unmittelbar ansteht, das zu einer Krise am 1. Oktober führen wird, wenn die katalonische Regierung versuchen wird, ein illegales Referendum abzuhalten, um unmittelbar die katalanische Unabhängigkeit zu auszurufen, was erklärtes Ziel ist. Es ist tatsächlich so, dass sie sich erst gar nicht damit abgegeben hat mitzuteilen, was passieren würde, wenn die Unabhängigkeit Kataloniens in der Abstimmung keine Mehrheit erhalten würde, die immerhin nur von 41% der Katalanen unterstützt wird, den letzten Umfragen nach. Diese Möglichkeit hat die Regierung ignoriert, weil sie zweifelsohne davon ausgeht, dass nur ihre Unterstützer abstimmen werden. Dieses zweite Problem ist rechtlicher Natur und es ist ein Problem, das in erster Linie ein katalanisches ist, d. h. unter Katalanen. Dem spanischen Staat kommt hierbei die Rolle zu, die Rechte und die Freiheit, mehr als der Hälfte der Katalanen zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass Verfassung und Länderrecht eingehalten werden. Das ist zurzeit das schwerwiegendere Problem und es muss zeitnah gelöst werden.
Manchmal kann es gut sein Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Letzen Endes ist es alles Obst. Aus diesem Grund wird das Abdriften des katalanischen Regierungschefs Puigdemont gerne mit der skandalträchtigen Unbeweglichkeit des spanischen Präsidenten Rajoy verglichen. In diesem Fall ist es ein grundlegender Fehler, weil hier versucht wird, die beiden vorher beschriebenen Probleme miteinander zu vergleichen. Die Aufregung der Unabhängigkeitsbewegung und die großen Gesten des katalanischen Präsidenten werden das territoriale Problem niemals lösen. Es ist ein Fehler, den der Katalanismus möglicherweise teuer wird bezahlen müssen: für die Rechtlosigkeit, die all das bedeutet, auch wenn dazu nicht ganz ungerechtfertigte Ansprüche geführt haben. Das Problem der Unbeweglichkeit Rajoys ist nicht, dass sie eine schlechte Antwort auf den surreal großen Sprung nach vorne der Unabhängigkeitsbewegung wäre; es ist das einzige, was er machen kann, jetzt, da es keinen Vermittler für eine Alternative mehr gibt. Die Unabhängigkeitsbewegung hat klar gelassen, dass sie über nichts sprechen will, dass sie die Abspaltung will und eine Pseudoabstimmung als Feigenblatt, um ihre Schamlosigkeit zu bedecken. Die Bitten um Dialog sind in diesem Moment absurd: als ob mehr Beispiele nötig wären. An selben Tag, an dem PSOE und PSC sich in Barcelona trafen, um ihr Vorgehen abzustimmen, dominierte Puigdemont die Schlagzeilen mit der Entlassung der neutralen Minister. Die Unbeweglichkeit der PP ist ein altes Problem, das von einer kurzsichtigen Vision des Staates seitens der spanischen Rechten zeugt. Aber jetzt ist nicht der Moment, darüber zu sprechen, mit der Pistole der einseitigen Abspaltung auf dem Tisch. Außerdem lässt sich Unbeweglichkeit nur mit einem Schritt nach vorne widerlegen, und es ist unvermeidbar, dass jetzt Bewegung in die Angelegenheit kommt. Und ja, die Fristen sind lang, die der Unabhängigkeit auch. Dafür dient der Austritt des United Kingdom aus der EU. Oder der Fall Irlands: Die Unabhängigkeit des Landes wird auf 1922 datiert, trat jedoch erst 1938 in Kraft. Eile hilft hier wenig.
In Bezug auf das dringende Problem stellt das Publikum perplex fest, wie zufrieden alle sind – die einen, überzeugt, dass sie am 3. Oktober alle unabhängig sein werden, weil sie sich dazu legitimiert fühlen, immer und in jedem Moment das zu tun, wozu sie Lust haben. Angesichts möglicher lokaler Blockaden bereiten sie sich darauf vor, auf örtlicher Ebene, einen „Maidán“ zu wiederholen, um gestärkt daraus hervorzugehen. Die anderen sind unbesorgt, weil nichts passieren kann außer Wahlen in Katalonien im Herbst. Es ist davon auszugehen, dass es im Palau de la Generalitat nicht zu einer Pressekonferenz kommen wird, in der Puigdemont in einem Anfall von Besonnenheit zugibt, dass er weder genügend sozialen noch rechtlichen Rückhalt für den eingeschlagenen Weg hat, seinen Rücktritt bekannt gibt und nach Girona zurückkehrt. Niemand vermag es, eine einfache Lösung des Knotens zu beschreiben. Es können lediglich Wahlen angesetzt werden, für die es ihrerseits jedoch auch keinen großen Anreiz gibt. Es ist ein gutes Beispiel für den untreuen Verwalter: Wer über die Institutionen wacht, ist Schuld daran, wenn sie in Misskredit fallen. Der Aufstand, über den zu Beginn des Prozesses so viel gesprochen wurde, kommt immer näher: Der Präsident wird in Handschellen aus seinem Büro abgeführt, das Parlament von Sympathisanten umzingelt und die Regierung wird für ungültig erklärt. Denn es ist sehr schwierig, jemanden festzunehmen, der darauf beharrt, festgenommen zu werden. Sowie bei den ersten Christen wird Puigdemont sein Opfer als Siegesmoment sehen. Davon träumt ein großer Teil der Unabhängigkeitsbewegung, durchaus ein wenig traurig, dass der Staat sich weigert, den Artikel 155 anzuwenden.